Antriebskonzept

(EVO-4)

Das ist nun etwas ganz außergewöhnliches. Will ja nicht prahlen - aber ich kenne kein Kart mit soooo einem Konzept :-)

Mal ehrlich, wer den Motor vorn zwischen die Beine plant - hat bestimmt einen an der Waffel. Das Konzept kommt aber nicht von ungefähr. Ich denke, daß ein kurzes Chassis eben agiler um die Ecken geht. Gut... das Kart wird aufgrund des erheblich höheren Gewichtes (Motor, Chassisveränderungen) vielleiht doch nicht sooo agil um die Ecke gehen können, wie ein Rennkart mit charmanten 75kg. Aber vielleiucht doch etwas spurtreuer, wie ein Kart mit einer Verlängerung um die 50cm, wie es ja auch schon einige gibt. Die gehen fast ausschließlich im Drift um kleine Ecken. Das möchte ich nicht - dazu sind mir die Reifen zu schnell abgerubbelt und Driften ist immer langsamer als spurtreu mit rollenden Reifen fahren. Nun - das ist die Theorie. Ob sie stimmt, und vor allem, ob ich das so auch umsetuzten kann, was ich mir so denke - das wäre zu erkunden ;-)

Also ein Kurzbahn-Chassis. Der Motor (FZ750) ist ein stattliches Geklump von 70kg. Plaziere ich den typisch neben dem Fahrer, so kennt man einige Karts, die so fahren. Roberts MadMax macht sich sehr gut - andere kenne ich eher mit nicht so guten Rundenzeiten. Motor hinter dem Kart geht anscheinend nur mit verlängerung des Chassis, denn die Beine des Fahrers müssen innerhalb des Chassis liegen und der Motor ist auch so 50cm kang. Mit seinem fahrerähnlichen Gewicht muß er vor der interachse liegen, denn sonst liegt der Schwerpunkt des Karts zu weit hinten. Damit gibt's zwar guten Andruck beim Bremsen auf der Hinterachse - aber beim Beschleunigen (und 101PS beschleunigen heftig) wird die Vorderachse so "leicht", daß Lenken dann nicht möglich sein wird. Das ist ein großes Problem, wenn man aus der Kurve herausbeschleunigen möchte. Da beschleunigt man nicht geradeaus, sondern in einerm parabolisch aufgehenden Bogen. Man muß dann so wenig gas geben, daß das Kart vorn lenkbar bleibt - nein, also das kann nicht schnell sein.

Den Motor vor den Fahrer? Tja, damit sitzt der Fahrer fast auf der Hinterachse. Muß ein echt spaßiges Fahrgefühl sein. Der Schwerpunkt ist damit in der Fahrebene mittig (symmetrisches Fahrverhalten in Rechts- und Linkskurven) und auch in Querrichtung so zu plazieren, wie bei üblichen Karts. Das ist ein großer Vorteil. Na denn - auf geht's ;-)

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Aber... so etwas ganz ungewöhnliches ist auch eine Herausforderung. Sieht man sich mal an, wo die Antriebswelle mit dem Ritzel aus dem Getriebe guckt, wird schnell klar, daß die Antriebskette zur Hinterachse am linken Oberschenkel, dem linken Hüftgelenk und an der linken Niere vorbei muß, kommt man auf den Gedanken, daß das so nicht besonders gut ist. Sie muß also woanders lang - und zwar so, daß es keine Verletzungen gibt.

Unter dem Sitz soll sie nicht verlaufen, denn dann muß der Sitz ja mindestens um die Kettenraddurchmesser angehoben werden. Damit wird der Schwerpunkt so hoch gelegt, daß weder hohe Kurvengeschwindigkeiten (Umkippen) noch hohe Geschwindigkeiten auf langen Geraden (Windwiderstand) erreicht werden können. Nein, der Sitz muß so tief, wie möglich verbaut werden. Also bleibt nur die Möglichkeit, den antrieb seitlich am Sitz vorbeizulegen. Kardanwelle? Neeneeneee - viel zu schwierig umzusetzten. Der Kettenantrieb ist bewährt und auch kostengünstig.

Ich entscheide mich eine Zwischenwelle einzubauen. Sie wird vor dem Sitz installiert und führt die erste Kette (vom Getriebe kommend) so weit wie möglich nach unten. Die zweite Kette (zur Hinterachse) verläuft dann links am Sitz vorbei.

Jetzt muß ich erstmal die Übersetzung nachrechnen. In die bekannte Übersetzungstabelle ...

... baue ich die Getriebewerte vom FZ750er Motor ein und ergänze eine theoretische Zwischenwelle. Damit ermittle ich zwei Übersetzungen: eine, die der Höchstgeschwindigkeit des Spendermoppeds entspricht (ca. 230km/h) und eine kleinere für die mir derzeit bekannten Höchstgeschwindigkeiten von einigen 5"-Kartreifen (siehe SIRIS). So um die 180km/h. Beide Geschwindigkeiten kann ich einfach einstellen, indem ich die beiden Zahnräder der zweiten Kette tausche ;-) das zwingt aber zu gleichen durchmessern von Zwischenwelle und Hinterachse. Letztere ist eine 40x3mm.

Nun widerstrebt es einem schon, eine Hinterachse im Laden zu kaufen, um daraus ein ca. 250mm langes Stück raus zuschneiden. Ich suche also eine gebrauchte, die ein unbeschädigtes 250mm langes Stück hat. Ich lande bei den Jungs hier aus Berlin. Marko ist ein netter Kerl, wir kommen gleich ins Geplauder und er gibt mir eine alter Achse von seinem Kumpel Matthias.

Ja, die Achse taugt nix mehr für ein Kart als Hinterachse - aber ein 250mm langes Stück ist unversehrt. Das paßt. Ich rechne mal überschlägig, daß der Motor im 1. Gang ein gigantisches Drehmoment von um die 450Nm auf die Zwischenelle bringen könnte. Das passiert natürlich nicht, denn die Hinterräder würden bei weit geringerem Drehmoment schon durchrutschen. Trotzdem sind das Werte, die weit oberhalb von üblichen Kartmomenten liegen, und so entscheide ich mich für eine sehr stabile - aber zugegeben nicht besonders wartungsfreundliche - Lagerung der Zwischenwelle. Sie bekommt drei Lager, die möglichst dicht an den Zahnrädern liegen.

Die Lager werden nach bekannten Prinzip in Vollaluminiumhalteschalen gesetzt, die mit je 4 Zylinderschrauben in Halteblechen gehalten werden. Bei diesen Momenten verzichte ich auf Feineinstellmöglichkeiten (zur Kettenspannung) zugunsten der Stabilität und Positionssicherung.

Die Zahnräder beziehe ich von Mädler. Bei EVO-3 hab ich ja gelernt, daß die axial wirkenden madenschrauben der Zahnräder nicht besonders zuverlässig sind. Sie lockern sich. Damit erzeugen sie Beschädigungen der Achse (siehe oben). Mädler bietet auch eine Taper-Spannsytem, daß am Umfang klemmt. Leider bekommt man die passenden Zahnräder nicht mit gehärteten Flanken und so entscheide ich mich, die Zahnräder von "Madenschraubensicherung" auf "Umfangsklemmung" umzubauen. Dazu bohre ich tangential zur Durchgangsbohrung ein Gewinde und senke ein Zylindersenkung für eine Zylinderschraube. Anschließend kommt der Teil, wo man schwitzt. Ich säge von Hand mit einer Bügelsäge den Ansatz zur Hälfte frei und dann senkrecht zu Tangentialbohrung durch. Jetzt gibt es einen freistehenden Halbmond, der mit der Klemmschraube in der tangentialbohrung das zahnrad auf der Welle klemmen kann.

Die Zwischenwelle muß jetzt noch gegen axiales Wegrutschen gesichert werden. Da ich an der Welle nichts bearbeiten möchte, um die Stabilität nicht zu schwächen, bleibt nur das Anbringen von Teilen an die Welle. Zwischen den Lagern wird's schwierig, da ich noch nicht genau weiß, was für Elemente für die Motorhalterung erforderlich sind. Also drehe ich zwei Endkappen,

die ich in der Hohlwelle mit einer Gewindestange und selbstsichernden Muttern sichere. Die Endkappen sind so gestaltet, daß sie sich zentrieren (Unwucht vermeiden) und die Welle mit minimalem axialen Spiel zwischen den äußeren Lagern positionieren.

Aber erstmal nutze ich die komplette Achse, um die Zwischenwellenhalter zum Anschweißen auszurichten. Das geht mit einer kompletten Achse besser, als mit einem 25mm-langen Stückchen ;-)

Und... der Motor wird auch schonmal positioniert, um zu sehen, ob die Kette auch sauber läuft. Ui, das ist knapp... der Neutralschalter ist im Weg. Den muß ich wohl ändern. Und das Ritzel ist zu dicht am Getriebe; die Kette schabt an einigen Rippen am Getriebe. Die Rippen werde ich nicht wegfräsen - sie haben Stabilitätsgründe und das werde ich mal nicht in Frage stellen. Es sind nur 3mm. Ich setzte also das Ritzel mittels Distanzscheibe 3mm vom Getriebe ab und beachte, daß das verzahnte Mutternsicherungsblech funktional noch montiert werden kann. Wie gesagt...knapp das alles...

Jetzt wird die Zwischenwelle zurechtgesägt und am Ende plangedreht. Die Zwischenwelle bekommt 8mm-Senknuten für die Paßfedern, die die Kraftübertragung zwischen Welle und Zahnrad gewährleisten.

Hier ist der Bausatz:

Und so sieht die montierte Zwischenwelle aus:

Das Chassis ist wieder ein Stückchen "fertiger". Dummerweise liegt die zweite Kette so dicht über einer Querstrebe des Chassis, daß sie wohl hier Beschädigungen fabrizieren wird. Lackspuren sind nicht das Problem - die Kettenglieder werden das Chassis an dieser Stelle echt beschädigen. Da die Hinterachse nicht höher gelegt werden kann, die Querstrebe auch nicht überflüssig ist, werde ich einen Gleiter vor die Querstrebe setzten. Die Kette wird mit diesem Gleiter nicht gespannt, er führt die im Betrieb schwingende Kette nur leicht, daß sie die Querstrebe eben nicht berührt. Da hab ich wohl beim Konstruieren der Hinterachslagerböcke nicht aufgepaßt :-(

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Nach den ersten Testfahrten zeigt sich, dass die Lagesicherung der Zwischenwelle nicht so haltbar ist, wie gedacht. Anscheinend wirken an dieser Stelle doch weit größere Kräfte, als ich angenommen habe. Die Sicherungstange innerhalb der Welle ist einfach abgerissen. Nähere Betrachtungen zeigen, dass der rechte Sicherungskorb anscheinend ab und zu am Lagerbock geschliffen hat und dadurch auf der Welle drehte. Der linke Sicherungskorb hatte keinerlei solche Spuren. Stellt man sich nun die Bewegung dynamisch vor, so muß der rechte Sicherungskorb entgegen der Anschraubrichtung der Sicherungsmutter drehend gearbeitet haben. Dabei hat er die Mutter nicht gelöst (was für sie spricht :-) ). Der Bruch der Sicherungsstange sieht recht rauh aus. Ich vermute, dass die Welle sich in ihrer Position schon verschoben hat und dabei die Sicherungsstange überdehnte, bis sie abriss. Die Position der Welle bestätigt zumindest die Wirkrichtung, denn sie sitzt nur noch knapp im rechten Lager.

Mit einer größeren Freimachung am Lagerbock und einer zugfesteren Sicherungsstange kann man dem sicher begegnen. Allerdings gefällt mir der Demontageaufwand nicht. Das soll einfacher sein. Also entscheide ich mich für ein anderes Prinzip. Klemmringe auf der Welle. ich führe sie als Halbschalen aus, so dass sie demontierbar sind, ohne dass die Welle komplett demontiert werden muß.

Und da die ursprünglichen Sicherungskörbe aus Alu einige Schleifspuren - auch innen - haben wähle ich ein widerstandsfähigeres Material: Stahl. Um die Welle gegen Wandern in beide Richtungen zu sichern benötige ich auch zwei solche Klemmringe. Hier sieht man den linken montiert. Die Ringe klemmen auf der Welle und drücken gegen den Innenring des angrenzenden Lagers. Etwas Spiel wird eingestellt, denn ich weiß nicht, wieviel Wärme an diesen Stellen entsteht - axial belastete Rillenkugellager sind schnell beleidigt. Die Ketten sind jedenfalls warm nach ein paar Runden.

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